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11.06.2025

Nachgefragt bei Dr. Moritz von Köckritz zur umstrittenen Erntegut-Bescheinigung: Wie Mühlen und Händler jetzt rechtssicher Getreide erfassen können

Erfasser von Erntegut müssen sicherstellen, dass es rechtmäßig erzeugt worden ist. Dabei ist die Erntegut-Bescheinigung der Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH (STV) höchst umstritten. Mühlenbetriebe und Landhandel befürchten erhebliche bürokratische Hürden und Chaos in der Ernte. „Es gibt keine Verpflichtung für Erfasser von Erntegut, die Erntegut-Bescheinigung zu verlangen, sie ist ein Angebot.", sagt Moritz von Köckritz, Geschäftsführer der STV, „die Erfasser entscheiden selbst, auf welche Weise sie die rechtmäßige Erzeugung des Ernteguts sicherstellen“. Im Interview erklärt er, wie die Erntegut-Bescheinigung Zeit spart und es den Erfassern ermöglicht, rechtssicher zu handeln – und warum alle Beteiligten an einem Strang ziehen sollten, um die mittelständische Pflanzenzüchtung in Deutschland zu stärken. Ausführlich spricht Moritz von Köckritz dann auf der VGMS-Getreidetagung am 26. Juni in Weihenstephan.

Moritz von Köckritz, Geschäftsführer der STV

VGMS: Die STV-Erntegut-Bescheinigung bleibt umstritten. Agrarhändler und Mühlenbetriebe als Erfasser des Getreides stehen unter massivem Druck für Akzeptanz dieser Regelung zu werben. Welche Maßnahmen haben die Züchter nach Implementierung der Erntegut-Bescheinigung getroffen, um die Landwirtschaft mitzunehmen und zu einer akzeptablen Lösung zu kommen?

Moritz von Köckritz: Der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) und die STV haben im vergangenen Herbst intensiv über die durch das BGH-Urteil klargestellten Verpflichtungen mit den einzelnen Akteuren in der Wertschöpfungskette gesprochen. Aufgrund der Rückmeldungen, die wir aus Landwirtschaft, Handel und Verbänden erhalten haben, haben wir das System Erntegut-Bescheinigung (EBS) weiterentwickelt. So konnten etwa Verwender von Z-Saat- und Pflanzgut erheblich entlastet und das Verfahren zur Erlangung einer EBS beschleunigt werden. Es ist nun möglich, eine EBS in weniger als 15 Minuten zu erlangen.

Wo hakt es noch konkret?

Ich würde sagen, vor allem in der Kommunikation. Auf Seiten der Landwirtschaft wird teilweise eine bürokratische Mehrbelastung befürchtet. Gleichzeitig stehen die Erfasser aber in der Pflicht und müssen handeln. 

Noch kursieren auch unzutreffende Behauptungen. Beispielsweise die Frage, ob Landwirte, die eine EBS beantragen, ihr komplettes Flächenverzeichnis bei der STV hochladen müssen. Die Antwort: Zunächst einmal gilt, das Hochladen von Belegen ist optional. Entscheiden sich Landwirte dagegen, nehmen sie an einem Stichprobenverfahren teil. Ist der Landwirt gehalten Unterlagen hochzuladen, wird dann lediglich die Übersicht aus dem Flächenverzeichnis über die genutzte Fläche je Kulturart relevant. Sollten sich aus der Übersicht die konkreten Schlagbezeichnungen ergeben, können diese geschwärzt werden.

Mir ist wichtig zu betonen, dass wir letztlich alle im gleichen Boot sitzen. Unseren Gesellschaftern – in der überwiegenden Anzahl übrigens Mittelständler – entgehen Jahr für Jahr Millionen an Nachbaugebühren. Das bedroht sie existenziell mit weitreichenden Folgen: Wenn Züchter vom Markt verschwinden, verschwinden auch Zuchtprogramme, gerade die von selbstbefruchtenden Kulturarten stehen auf dem Spiel. Das kann weder im Sinne der Landwirtschaft noch der verarbeitenden Unternehmen sein.

Welche Ansätze gibt es in anderen europäischen Ländern, von denen wir lernen könnten?

Das europäische Sortenschutzrecht – die sogenannte Gemeinschafts-Sortenverordnung – gilt in allen EU-Ländern gleichermaßen. Interessant ist, dass trotz einheitlicher Rechtslage ganz unterschiedliche Systeme zur Erfassung des Nachbaus bestehen. In Frankreich wird beispielsweise eine pauschale Gebühr als Nachbauabgeltung bei der Ablieferung des Ernteguts berechnet, die die Z-Saatgutverwender erstattet bekommen. In Finnland werden Nachbauangaben direkt mit dem Antrag auf Agrarförderung abgegeben. In einigen Ländern haben Bauern- und Züchterverbände ein gemeinsames System etabliert. In Deutschland führten verschiedene Versuche, auf Verbandsebene eine Lösung zu finden, leider bisher nicht zum Erfolg. 

Müsste das Thema nicht besser rechtlich geregelt werden, um Druck aus der Wertschöpfungskette zu nehmen? Wenn ja, welche Hürden sind zu nehmen?

Sicherlich wäre es wünschenswert, wenn die lückenhafte Nachbaugesetzgebung angepasst und dadurch erreicht werden könnte, dass die Nachbaugebühren vollständig gezahlt würden. Leider sind Gesetzesvorhaben dazu bisher immer wieder gescheitert. Für den Erfolg einer Gesetzesänderung ist aus meiner Sicht entscheidend – und das dürfte gleichzeitig auch die größte Hürde sein – Einigkeit zwischen den betroffenen Verbänden über das Erfordernis beziehungsweise die Ausgestaltung einer Gesetzesänderung herzustellen.

Fakt ist, dass in der Ernte schnell und unkompliziert erfasst werden muss. Mühlen und Landhandel befürchten erhebliche Probleme im Ernteablauf, wenn Bescheinigungen nicht vorliegen oder unzureichend sind. Haben Sie eine Empfehlung, wie damit umgegangen werden soll?

Zunächst möchte ich klarstellen, dass es keine Verpflichtung für Erfasser von Erntegut gibt, eine Erntegut-Bescheinigung zu verlangen. Die Nutzung ist ein Angebot, das freiwillig genutzt werden kann. Die Erfasser entscheiden selbst, welchen Nachweis sie für die Rechtmäßigkeit der Ernteguterzeugung verlangen.

Dabei sollten sie sich davon leiten lassen, welche Nachweise geeignet sind, die Nichtverletzung von Sortenschutzrechten sicherzustellen. Die EBS ist da ein unkompliziertes Mittel. Hier müssen sie nicht selbst prüfen. Das System ist zudem kostenfrei und mit der Zusage verbunden, dass – im Falle widerrechtlich produzierten Ernteguts – seitens der STV keine Ansprüche gegenüber dem Erfasser geltend gemacht werden.

Natürlich ist aber auch eine eigene Prüfung durch die Erfasser grundsätzlich denkbar. Auch andere Systeme würden – unter der Voraussetzung eines vergleichbaren Prüfumfangs wie im EBS-System – grundsätzlich auch akzeptiert werden. Nicht ausreichend ist jedoch die unterschriebene Bestätigung des Landwirts, rechtmäßig produziert zu haben. Sie weist keinen vergleichbaren Prüfumfang auf, befreit die Erfasser weder von den Prüfpflichten noch schützt sie vor rechtlichen Konsequenzen bei Sortenschutzrechtsverletzungen.

Sehr geehrter Herr von Köckritz, besten Dank für das Interview. Wir freuen uns auf die Diskussion mit Ihnen am 26. Juni auf der VGMS-Getreidetagung in Weihenstephan! 

Zum Download:
VGMS-Pressemitteilung Nachgefragt
Pressebild Dr. Moritz von Köckritz © privat
Programm VGMS-Getreidetagung Weihenstephan
 

Zur Anmeldung:
VGMS-Getreidetagung 2025